Donnerstag, 26. August 2010
Meine Arbeit im Krankenhaus
Hallo,

Am Dienstag vor einer Woche habe ich meine Famulatur im CHU hier in Ouagadougou begonnen. Ich möchte nicht lügen, es war eine echt krasse Woche.
Entschuldigt, wenn ich ziemlich viele Fachausdrücke benutze, aber ich schreibe diesen Beitrag für meine Kommilitonen, die mich angeschrieben haben und nach der Famulatur gefragt haben.
Am schlimmsten war der erste Tag. Ich habe auch in Deutschland schon im Kreißsaal gearbeitet und weiß wie eine Geburt dort ablaufen kann.
Da ich hier weder Mitarbeiter noch den Ablauf kannte fühlte ich mich anfangs ziemlich hilflos.

Die ersten beiden Geburten, die ich sah, mussten schnell gehen. Es gibt keine CTGs und die einzige Möglichkeit den Fetus zu überwachen ist ein Pinard Stethoskop. Wenn man da also schon einen arrhythmischen Herzschlag hört, dann ist es echt allerhöchste Eisenbahn. Die beiden Geburten waren dann ziemlich brutal und die Kinder wurden mehr oder weniger aus den Frauen rausgepresst und -gerissen. Ich war darauf gar nicht vorbereitet und war schon ein bißchen schockiert. Dass bei so einer Geburt komplexe Dammrisse die Folge sind, ist kein Wunder. Wenn die dann aber wegen nicht nicht ausreichendem Lokalanästhetikum mit Minimalanästhesie versorgt werden, dann geht einem das schon nach.

Die meisten Frauen haben eine Beschneidung des Typs 2, d.h. die Klitoris und die kleinen Schamlippen sind entfernt und dann zusammengenäht. Inzwischen ist die Beschenidung von Frauen hier verboten, aber es wird dennoch noch oft gemacht. Die Frauen und Mädchen, die von dem Verbot profitieren sind außerdem zum Großteil noch nicht im gebärfähigen Alter. Eine solche Tradition kann man nicht von einem auf den anderen Tag durch ein Verbot abschaffen. Es wird noch eine Weile dauern bis es eine Seltenheit sein wird hier beschnittenen Frauen zu sehen.

Die zweite Geburt, die ich sah war ähnlich. Die Frau hat danach ziemlich stark geblutet und man musste eine Revision machen. Das wird hier jedoch nicht unter Narkose und mit Curetten gemacht, sondern manuell. Ich weiß, dass das auch in Europa bis vor einigen Jahrzehnten noch normal war, aber ich selbst hatte das noch nie gesehen. Es hat der Frau das Leben gerettet, aber wie beschreibe ich hier lieber nicht.
Bei einer weiteren Geburt, die ich diese Woche begleitet habe, war die Frau zwar vollständig, aber der Fetus hat sich nicht abgesenkt. Es bestand also eine Sectioindikation. Das Problem war aber, dass es nur einen OP gibt und vor allem nur ein OP-Team, das eine Sectio machen kann. Die Frau lag dann vier Stunden unter krassesten Wehen im Kreißsaal und war am Ende natürlich total verzweifelt und fertig. Was mich am meisten schockiert hat, war dass sich niemand für sie zuständig fühlte. Nach einer Weile hat sie aufgehört regelmäßig zu schreien und es bestand die Vermutung, dass sie eine Uterusruptur hatte. Wie es im Endeffekt ausging, und ob das zutraf, weiß ich nicht, da es am Freitag Nachmittag war.

Am Donnerstag war eine sehr anämische Patientin da, bei der eine Blasenmole vermutet wurde. Im Sono, der dann nach einer halben Ewigkeit gemacht wurde, sah man dann aber eine rupturierte EUG. Die Frau hatte an die zwei Liter Blutkoageln im Bauch.
Das eindruckvollste der Woche war jedoch eine postpartale Eklampsie. Die Frau kam am Freitag, nachdem sie am Donnerstag entbunden hatte. Sie hatte einen total wirren Blick Schaum vor dem Mund und hat gekrampft, dass sie fast vom Tisch gefallen ist. Es war fast unmöglich ihr eine Braunüle zu legen. Wir haben sie zu sechst festgehalten. Mit Valium und Magnesiumsulfat wurde es dann bald besser.
Das war echt was.

In Deutschland gibt es das alles natürlich auch, aber in milderer Form. Dort werden die Frauen nach der Entbindung meist überwacht und es kommt gar nicht erst so weit wie bei dieser Patientin.
Blutdruckmessgeräte sind Mangelware und eigentlich kann manden Druck gar nicht überwachen. Die Dokumentation wird meistens nach der Geburt nachgetragen. Man kann sich also auf keine Akte und kein Partogramm verlassen.
Das alles und mehr musste ich erstmal verarbeiten. Was mich am meisten ärgert, ist dass ich so hilflos bin. Ich hab einfach keine Möglichkeit den Ablauf hier zu ändern.

Trotz alledem war es auch eine ganz tolle Woche. Ich habe in den vier Tagen mehr Geburten gesehen als in Deutschland in zwei Wochen. Wieviel ich mache und lerne hängt absolut von mir ab. Die letzte Woche waren zwei Famulanten aus Frankreich da. Es war schon ihre vierte Woche und sie hatten sich ein bißchen eingearbeitet. Sie durften mit den Hebammen zusammen einige Entbindungen machen.
Einer der Ärzte hat mir angeboten mir zu zeigen, wie man eine Episiotomie versorgt. Wenn ich will kann ich also ganz viel lernen und natürlich will ich das. Nach den zehn Wochen, werde ich viel gesehen und gelernt haben.


Die Neugeborenen werden von den Hebammen versorgt und ich durfte also schon einige Kinder versorgen, beatmen, ausmessen, etc. Die ganze Neonat von APGAR 2 bis 10, und das in einer Woche.
Ich bereu es auf keinen Fall, dass ich hier bin.

Ich hoffe ihr hattet alle ähnlich ergiebige Famulaturen. Ich denk an euch.

Auf bald

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