Montag, 27. September 2010
Babys im Stundentakt
Jetzt wurde es aber echt mal wieder Zeit euch ein wenig zu erzählen, was hier so läuft.
Das Wetter ist extrem viel besser geworden. Es hat sogar schon seit über einer Woche nicht geregnet und man merkt es den Pflanzen teilweise schon an.

Vergangene Woche hatte ich meine erste Nachtschicht im Krankenhaus. In den 24 Stunden gab es doch echt 24 Geburten. So viele habe ich in vier Woche Famulatur in Deutschland nicht gesehen. Darunter waren drei Zwillingsgeburten. Es war eine anstrengende, aber auch sehr lehrreiche Nacht. Es waren fünf Entbindungen in Beckenendlage dabei. Das habe ich inzwischen so oft gesehen und mental selbst entbunden, dass ich mir fast zutrauen würde es selbst zu machen. In der Nacht habe ich auch meinen ersten Dammschnitt gemacht. Die Frau war stark beschnitten und es war unmöglich einen Kindskopf durch die Öffnung zu bringen. Sie war sehr tapfer mit ihren 18 Jahren. Die Schere war ziemlich stumpf und es ging nicht leicht, aber man hatte keine andere Wahl. Das Kind hatte dann auch noch die Nabelschnur um den Hals, was die Entbindung noch schwieriger gemacht hat.
Leider war auch eine Totgeburt dabei: Die Frau, oder eher das Mädchen kam aus einem Dorf ziemlich weit entfernt. Der Fetus war schon ein paar Tage tot und die Haut hat sich schon abgelöst. Das war ein ziemlich gruseliger Anblick. Es war dazu noch eine Steißgeburt. Zum Glück war die Frau erst ungefähr im siebten Monat, da war der Fetus noch nicht ganz so groß.
Nachts ist der Kreißsaal auch gleichzeitig gynäkologische Ambulanz.
Es kam eine Frau, die im sechsten Monat schwanger war und nach einem Schlangenbiss angefangen hat vaginal zu bluten. Oh je, das war das reinste Blutbad. Sie tat mir so Leid. Die Angehörigen konnten die Behandlung beim besten Willen nicht bezahlen. Es hätte mehr als hundert Euro gekostet. Das ist nicht nur ein Vermögen, das sind gleich mehrere. Irgendwann wurde die Blutung weniger. Am nächsten Tag habe ich sie mittags in der kleinen Überwachungsstation neben dem Kreißsaal gesehen. Schlangenbisse sind immer sehr riskant, weil das Blut dann nicht mehr koaguliert. Nicht einmal das Blut am Boden ist geronnen; auch nach Stunden nicht.
Die Mitarbeiter sind bis auf wenige Ausnahmen unglaublich nett und ich freue mich inzwischen morgens schon arbeiten zu gehen und die anderen zu sehen. Am Anfang überwog auf jeden Fall das schockiert sein. Aber man kann alles lernen und sich an alles gewöhnen.
Mit der Doktorarbeit geht´s auch voran. Nachdem ich zwei Wochen damit zugebracht habe in den Bezirkskrankenhäusern anzufragen, haben wir uns am Schluss doch entschieden nur im CHU zu sammeln. Es gab einfach zu viele Probleme.
Für mich ist es so viel leichter, weil ich nicht ständig überall hinfahren muss. Ich arbeite eben vormittags im Krankenhaus und suche die Fälle vom Nachmittag und in der Nacht im Nachhinein auf. Durch das Geburtenregister weiß ich ja immer, wie viele Geburten es gab.
Letzte Woche waren einmal ao viele Frauen da, die am entbinden waren, dass gar nicht genug Hebammen da waren. Als ich nach der einen Frau geschaut habe, war auf einmal schon der Kopf da. Die har noch nicht einmal gechrien. Echt tapfer.

Freizeittechnisch wird mein Leben jetzt während der Datensammlung ein bisschen einfacher werden, weil ich am Wochenende morgens mittags und abends zum Schichtwechsel muss um die Hebammen nach verletzungen zu fragen. Da kann man dann natürlich keine grpoßen Unternehmungen machen.
Letzte Woche Samstag war ich mit ein paar Kollegen schwimmen. Es gitb hier einige Hotels in denen man für wenig Geld einen Nachmittag schwimmen kann.
Sonntags waren wir dann in Laongo. Es ist ein Dorf wenige Kilometer von Ouaga entfernt. Alle zwei Jahre treffen sich dort Künstler aus aller Welt um Steinmetzarbeiten anzufertigen. Auf einer recht großen Grünflache unter Bäumen liegen viele Granitbrocken und –blöce rum. Jeder Künstler kann sich dann einfach einen Block aussuchen und ihn berarbeiten. Es waren ganz tolle Sachen dabei. Wir haben einen Führer gezahlt uns rumzuführen und das hat sich sehr gelohnt. Er konnte uns zu jedem Werk die Erklärung schildern.

Auf dem Rückweg hatte ich einen Platten im Hinterreifen. Wir habe die Schläuche wechseln lassen und der Mechaniker hat den Mantel danach ungleich eingesetzt. Ich hatte ih am Vortag erst gekauft und jetzt hat er schon ein paar Macken. Der Reifen und der Schlauch haben kein Problem, aber dank dem Mantel läuft es nicht mehr ganz so rund. Nächste Woche muss ich das unbedingt reparieren lassen. Aberichhabe mir versichern lassen, dass es nichts macht so zu fahren.

Letzte Woche wurde ich abends von der Polizei angehalten. Ich war absolut unwissend über eine rote Ampel gefahren. Hier sind in jedem Kreisverkehr Ampeln, was ich für ziemlich unlogisch halte. Leider hab ich die eine übersehen. Der Polizist meinte, dass sie in so einem Fall eigentlich gleich das Moped beschlagnahmen, aber er sehe ja, dass ich beschäftigt sei und es gerade brauche. Ich frage mich, wer nach unbeschäftigt aussieht, wenn er an einem Samstag Nachmittag durch die Stadt fährt. Erst im Nachhinein habe ich begriffen, dass das eine versteckte Einladung für Schmiergeld war. Er ht mir dann erzählt wie umständlich es sei, die Strafe zu bezahlen. Ich habe dann mit meinem europäischen Denken gesagt, dass ich es ja jetzt nicht mehr rückgängig machen könne, da ich ja schon über die Ampel gefahren sei. Und so müsse ich es eben bezahlen. Ich habe mehrfach beteurt, dass ich es wirklich nicht gesehen hatte. Naja, ich muss, da ich auch absolut ehrlich war ziemlich überzeugend gewesen sein und hab wohl nett gelächelt. Nach 10 Minuten sagte er einfach, ich solle es morgen eben nicht mehr machen. Ich fahre wirklich über gar keine rote Ampel, selbst wenn es alle anderen machen. Hier sind ja nicht so viele Weiße. Die würden sich sofort an mich erinnern.
Aimé hat mir abends erklärt, dass man eigentlich 2000 CFA in die Fahrzeugpapiere legt. Ha, da hatte ich in meiner Unschuld gar nicht drangedacht. Ich denke mal, dass ich in einem anderen Land nicht so leicht davon gekommen wäre. Wobei wir mal wieder bei den ordentlich Preußen wären. 

Heute war ich mit Silvie, einer Freundin in einem Stoffladen. Die traditionellen festlichen Stoffe hier in Burkina Faso sind nicht bedruckt, sondern gewoben. Die Frau hat wirkliche herrliche Stoffe hergestellt. Sie macht alles selbst, selbst das Färben. Sie hat uns alles gezeigt. Sie arbeitet mit einer Amerikanerin zusammen, die ihre Sachen teilweise in den USA vertreibt. Sie stellt auch Tischsets und Servietten her. Ich werde mit Sicherheit nochmal hingehen und was kaufen.

Aimés Bruder ist Schneider. Ich war schon ein paarmal bei ihm in der Werkstatt, weil ich kleine Reparaturen an Kleidern vorzunehmen hatte.
Wir haben uns unterhalten und ich habe ihm erzählt, dass ich auch nähe, aber eben nicht wisse, wie man einen Schnitt herstelle. Er hat mir angeboten, es mir zu zeigen. Jetzt gehe ich nächste Woche mit meinem Stoff und meiner Idee hin, und er zeigt mir dann, wie man das umsetzt. Ha, ich freue mich schon so. Das wollte ich schon seit Ewigkeiten mal gezeigt bekommen. In Deutschland sind die Kurse total teuer und meistens bekommt man erstmal gezeigt, wie man näht. Das brauch ich ja aber nicht.
Bis Januar kann er mir bestimmt Einiges zeigen.

So meine Lieben. Es ist spät und morgen früh wollen wieder Babys entbunden werden. Ich wünsche euch schöne Spätsommertage, deren Geruch ich unheimlich vermisse.
Denkt beim nächsten Stück Apfel- oder Zwetschgenkuchen an mich. Ich denke an euch.

Seid umarmt
Auf bald

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